
Thomas Gewolf (l.) ist Prokurist und Klaus Kellerer ist Verwaltungsleiter bei der MRG. (Foto: Hans Häuser)
28.07.2025
Auf welches Projekt in der Messestadt sind Sie am meisten stolz?
Gewolf: Ich persönlich natürlich auf den Bildungscampus, weil ich in den vergangenen Jahren hier verantwortlich tätig war. Und da mein ganzes Herzblut reingesteckt habe. Vor allem, dass er so – toi, toi, toi – reibungslos in Betrieb ist. Der wurde vom ersten Tag weg von den Kindern zu 100 Prozent angenommen, als hätte es ihn schon immer gegeben. Fußball raus und los geht’s. Das ist natürlich für mich schon eine besondere Freude, das erleben zu dürfen. Und das ist mein aktuellstes Projekt, das ich in der Messestadt abschließen durfte.
Kellerer: Das ästhetisch schönste Projekt meines Erachtens ist die Aussegnungshalle am Riemer Friedhof. Und dann vor allem die Grünflächen. Der Stadtteil lebt vom Landschaftspark, vom Badesee und auch von diesen Grünfingern, die in die Wohnbebauung ziehen. Das sieht man von außen gar nicht so, aber die Bewohner ziehen wahnsinnigen Nutzen draus. Und auch alle Besucher, die ich hier herumgeführt habe, aus Nordkorea sogar, aus Russland, aus China, aus Kanada und aus Österreich, die sagen auch, das ist so toll
Aber gerade am Park gibt es auch immer wieder Kritik. Zu gerade Wege, zu wenige Bäume. Können Sie das nachvollziehen oder fühlen Sie sich eher verkannt?
Kellerer: Ich verstehe schon, wenn man das meint. Wenn man aus dem Englischen Garten kommt und da sind die toll meandrierenden Wege, dann ist das was ganz anderes. Aber es sind ja wahnsinnig viele Bäume gepflanzt worden. Auch die Mauer im Park: Da hieß es am Anfang, jetzt haben wir die Berliner Mauer abgerissen, und dann baut man da eine neue Mauer. Aber wie viele Leute da Brotzeit machen, sich drauf sonnen, das ist eine Multifunktionsgeschichte geworden.
Sprechen wir über die Probleme beim Riemer Gymnasium: Wieso kriegt das Baureferat in Bogenhausen das Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium schnell fertig, und es schaut auch noch super aus – und unsere Schule, die die MRG baut, ist heute noch Baustelle. Was ist da schief gelaufen?
Gewolf: Also zum Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium kann ich nichts sagen, weil ich das Projekt als solches nicht kenne. Soweit ich das mitbekommen habe, war da auch nicht alles ideal, aber das sei dahingestellt. Solche Projekte sind wahnsinnig groß und komplex. Und es sind viele Dinge zusammengekommen, insbesondere die Corona-Krise hat uns einen richtig großen Streich gespielt. Eine Großbaustelle ist wie ein riesiges Uhrwerk, wo alle Räder ineinander greifen. Und wenn Sie die kleinste Störung an irgendeiner Stelle haben, dann wirkt sich das sofort auf das große Ganze aus.
Aber irgendwann war das Gymnasium fertig, dann war die Schwimmhalle noch nicht fertig. Und die Realschule war nochmal später und so weiter.
Gewolf: Man hat dann den Fokus tatsächlich auf das Gymnasium gelegt, weil dort der Bedarf war, für die Realschule wurde ja der Einzugstermin veschoben.
Und dann kam der Wasserschaden.
Gewolf: Der Wasserschaden im Gymnasium, damit kämpft die Landeshauptstadt in vielen Baustellen mittlerweile. Das Wasser ist der Teufel. Ich habe es zu Hause bei mir privat auch gehabt. Das findet den Weg bis in die letzte Ritze. Wir bauen hier für unsere Kinder. Da ist die Raumluftqualität die absolute Maxime. Da wurde von Grund auf saniert, weil natürlich der Anspruch ganz klar ist, die Gesundheit unserer Kinder hat obersten Stellenwert.
Wegen Schimmel, meinen Sie?
Gewolf: Genau.
Was war denn die Ursache für den Wasserschaden?
Gewolf: Ein undichtes Rohr in einer Fußbodenheizungsleitung. Das war offensichtlich nur angeritzt, deswegen hat sich der Schaden auch erst gezeigt, als der Bodenaufbau schon fertig war. Genauer kann man kann das nicht mehr nachvollziehen, ob jemand draufgestiegen ist oder ein Materialfehler in der Leitung war. Kleine Ursache, Riesen Wirkung, ein enormer Schaden zur Unzeit. Das war wahnsinnig traurig, dass auch noch sowas passiert
Ist die Reparatur komplett abgeschlossen?
Gewolf: Komplett fertig, Raumluft gemessen, höchste Qualität. Also man kann sagen, jetzt ist das Gymnasium völlig wiederhergestellt.
Und jetzt waren noch ewig draußen diese Löcher in der Fassade.
Gewolf: Da haben noch technische Einbauten gefehlt. Aber jetzt ist die Fassade geschlossen.
Was ist am Castonier-Platz das Problem? Da ist auch schon viel länger Baustelle als geplant.
Gewolf: Gar kein Problem, die Bauarbeiten schreiten voran. Die Entscheidungsprozesse bis zum Startschuss waren aber sehr langwierig. Und dann beginnen ja die ganz normalen Bauprozesse, Ausschreibungen, Bauumsetzungen und seither läuft es. Aber wir haben an der einen oder anderen Stelle festgestellt, dass die Umsetzung nicht so gemacht wurde, wie wir es uns wünschen. Und aus dem Grund musste tatsächlich an einer Ecke nochmal was gemacht werden.
Was war kaputt?
Gewolf: An einer Ecke wurde das Höhenmaß beispielsweise falsch genommen. Das hat dazu geführt, dass die gesamte Nivellierung an dieser Ecke nicht mehr zusammengepasst hat.
Wann wird der Castonier-Platz fertig?
Gewolf: Das große Ganze wird in diesem Sommer nutzbar sein.
Die Stadtbibliothek am Castonierplatz, auch da gab’s einen Wasserschaden. Haben Sie da was damit zu tun?
Gewolf: Nein, das Gebäude gehört einem Bauträger und die Stadtbibliothek ist dort vermutlich Mieter.
Kellerer: Da ist nur unsere Ausstellung drin. Im Foyer ist ein Modell und ein Bildschirm, das haben wir gemacht. Aber Sie sehen auch dort das Thema Wasserschäden. Wenn man da mal ein bisschen ein Gespür dafür hat, dann bekommt man mit, wo das überall stattfindet. Es wird halt immer komplizierter.
Gewolf: Die Baustandards sind zu hoch. Ein wenig Augenmaß würde helfen.
Kellerer: Andererseits ist der Standard heute auch viel höher, das kommt den Nutzern zugute. Ich habe zum Beispiel in der Zeit meines Lebens kein einziges Schwimmbad als Schüler gesehen. Ich war im Schwimmverein. Am Bildungscampus haben wir jetzt zwei voll versenkbare, voll anhebbare Becken. Ich glaube, das ist gut investiert.
Wie würden Sie insgesamt sagen, hat sich die Messestadt entwickelt? Ist das so geworden, wie Sie es sich vorgestellt haben?
Kellerer: Es ist toll geworden. Wenn man mit den Bewohnerinnen und Bewohnern spricht, dann sind die alle natürlich nicht top zufrieden. Es gibt immer irgendwas. Aber insgesamt: die Insellage zum Beispiel. Dadurch haben die Bewohner besser zueinander gefunden. Das ist eigentlich das wirklich Schöne, dass das funktioniert hat.
Und die Infrastruktur. Es war ja die Idee, dass man die Infrastruktur wirklich zu dem Punkt fertig hat, wenn die Leute einziehen. Und so war es auch. Wir haben zum Beispiel zur Stadt gesagt, wenn ihr die Kindergärten braucht, dann sind die da. Und das hat funktioniert. Und das muss man erst wieder nachmachen. Das passiert in Freiham und das passiert in Neufreimann. Quasi nach unserer Blaupause.
Zurück in die Messestadt: Was wird aus dem Kopfbau, den Tribünen dahinter vor allem?
Gewolf: Den konnten wir im Auftrag des Kommunalreferats nochmal nutzbar machen. Der war feucht. Und auch nicht beheizbar. Das war das Teuerste. Auch eine Winternutzung ist jetzt möglich. Das Flair dieses Raumes ist wirklich einizigartig. Und am anderen Ende der Tribüne, installieren wir gerade ein kleines Schaufenster. Dort, wo es zur Polizeiwache rüber geht. Man kann künftig in das frühere Innenleben der Tribüne reinschauen.
Wann wird das fertig?
Kellerer: In den nächsten Monaten. Das ist ziemlich fortgeschritten.
Es gibt ja immer noch die Diskussion, was nach Ende der Experiement-Phase aus dem Kopfbau wird. Es gab auch schon die Überlegung, die Kulturetage dorthin zu ziehen. Ist sowas theoretisch denkbar?
Kellerer: Nein, das ist finanziell überhaupt nicht darstellbar. Die Tribüne, das ist wie am Kolosseum in Rom. Die Räume dahinter sind ein Abfallprodukt der Treppen. Da hat man nur eine Wand angefügt, damit die Treppen nicht abknicken, statisch. Das lange Gebäude war nie offiziell genutzt und war auch nie so gebaut.
Also, Sie würden sagen, das fault jetzt zusammen und dann irgendwann liegen da die Trümmer am Boden?
Kellerer: Das ist ja auch eine Art, wie man mit einem Denkmal umgehen kann. Man muss halt die Erinnerung aufrechterhalten.
Gewolf: Letztlich, mit genug Geld können Sie heute alles machen. Sie könnten das auch überbauen. Da gibt es ja Millionen Ideen.
Kellerer: Das Problem ist auch, wenn man so viel Geld in die Hand nimmt, dann will die Stadt ja auch Einnahmen generieren. Vorne der ganze Platz wäre zum Beispiel ein toller Biergarten. Aber die Zufahrt ist schwierig bis nicht vorhanden. Wenn der fünfte Bauabschnitt da ist, dann ist vielleicht noch was möglich. Aber solche Prozesse sind immer recht komplex.
Bei der Geothermieanlage ganz im Nordosten der Messestadt, ist eine Riesenbaugrube. Was passiert dort?
Gewolf: Da entsteht für den Abfallwirtschaftsbetrieb München ein Standort. Die werden dort ihre Tonnenlogistik abwickeln. Also, die Mülltonnen werden von hier verteilt. Diese Fläche war ja immer schon als Entsorgungsfläche geplant. Jetzt wird es umgesetzt, weil der Bedarf innerhalb der Stadt wächst. Ein Industriegebäude wird an ein Bürogebäude angedockt, aber schön eingebettet, in dem Gesamtkonzept der Messestadt folgend. Umschlossen von einem hohen Wall, der begrünt wird. Ein gutes Drittel der Fläche, ganz nördlich, ist außerdem Naturschutzfläche.
Sie haben seit den 90er Jahren Aufträge über fast 700 Millionen Euro in der Messestadt organisiert und 560 Hektar Fläche gestaltet. Jetzt kommt dieses Riesenprojekt langsam zum Ende. Lehnt man sich da zurück? Oder startet man neu durch?
Thomas Gewolf: Was die Messestadt betrifft, sind wir auf der Zielgeraden. Beim Bildungscampus ist im Juli die feierliche Eröffnungsfeier. Der Elisabeth-Castonier-Platz wird in Kürze fertiggestellt. Und dann hoffen wir auf spannende Projekte, auch im Fünten Bauabschnitt. Dort wollen wir auch wieder die Infrastrukturprojekte begleiten. Aktuell beginnen wir im Hintergrund mit den Planungen zu einer Grundschule. Das wird schon begonnen, damit dort, wenn die ersten Bürgerinnen und Bürger einziehen, bestenfalls zeitgleich auch die Schule fertig ist.
Aber anders als bei den ersten vier Bauabschnitten sind Sie beim fünften, der so genannten Arrondierung Kirchtrudering, in einer Konkurrenzsituation? Ich nehme an, das Baureferat ist der Wettbewerber?
Klaus Kellerer: Konkurrenzsituation nicht, weil der 5. Bauabschnitt noch in unserem ursprünglichen Vertragsgebiet liegt. Aber es ist eine etwas andere Situation als in den anderen vier Bauabschnitten, weil auch dort die Grundstücke nicht allein der Stadt gehören. Es sind vier oder fünf große Eigentümer, auch private. Und diese Eigentümergemeinschaft muss sich erstmal selbst einig werden, was sie will. Und dann werden wir aber für die öffentliche Infrastruktur wieder zentral von der Stadt München beauftragt. Die Eigentümergemeinschaft hat ein gewisses Mitspracherecht, die hat noch die Möglichkeit, selbst zu bauen. Aber das ist eher unwahrscheinlich.
Für andere Neubaugebiete in München, etwa Freiham, wurden Sie nicht beauftragt. Wofür braucht man die MRG eigentlich noch?
Gewolf: Räume für die Landeshauptstadt München entwickeln – da haben wir viel Erfahrung. Und diese Räume entwickeln wir jetzt nicht mehr nur in der Messestadt Riem. Den Campingplatz Talkirchen zum Beispiel. Und wir haben natürlich unser Flaggschiff. Die Sanierung des Gasteigs. Mit einem enormen Bauvolumen.
Aber warum kann es das Baureferat nicht machen?
Gewolf: Das Baureferat kann es auch machen. Und zwar genauso gut wie die MRG. Aber die Bauaufgaben in der Landeshauptstadt München sind so vielfältig.
Beim Gasteig war mein Eindruck, das ging ja ewig, bis ein Unternehmen gefunden wurde. Alle haben sich ein bisschen weggeduckt. Und dann sagt man, gut, dann macht es halt die MRG. Seid ihr so etwas wie der Notnagel?
Gewolf: Nein. Die Überlegung war ja, gibt die Landeshauptstadt München derartige Großprojekte aus der Hand, an private Investoren? Und da hat man sich dann besonnen und hat gesagt, wir haben doch eine MRG. Damit bleibt der Auftrag innerhalb des Stadtverbunds. Das ist der große Vorteil. Man kann Bauaufgaben privatwirtschaftlich angelehnt umsetzen. Behält aber immer noch das Tafelsilber im Geldbeutel. Wir sind nicht gewinnorientiert, sondern der Bevölkerung verpflichtet.
Im Vergleich zu einem Bildungscampus – wieviel mal komplizierter ist das?
Gewolf: Ich glaube, das kann man überhaupt nicht vergleichen. Der Bildungscampus ist mehr oder weniger auf der grünen Wiese entstanden. Und wir bauen beim Gasteig in Bestand, was nochmal ganz andere Herausforderungen birgt. Aber wir sind auf jeden Fall in der Lage, so ein Projekt umzusetzen.
Interview: Hans Häuser
Als sie 1993 gegründet wurde, stand MRG noch für “Maßnahmeträger München Riem”. Aufgabe war damals, die öffentliche Infrastruktur in der Messestadt zu errichten.
Die MRG organisierte also den Bau von Kindergärten, Schulen und war auch für die Arbeiten im Park verantwortlich. Diese Projekte sind inzwischen weitgehend abgeschlossen. Im 5. Bauabschnitt ganz am Westrand ist noch nicht ganz klar, in welchem Umfang die MRG zum Zuge kommen wird.
Inzwischen heißt die MRG „Münchner Raumentwicklungsgesellschaft”. Was sie bisher nur in der Messestadt gemacht hat, unternimmt sie nun an vielen Orten im Stadtgebiet: Planung, Umsetzung und Finanzierung von Bauprojekten für die städtische Auftraggeber.
Unter anderem hat sie mehrere Gebäude im Schwabinger Krankenhaus modernisiert, und sie betreut derzeit die Generalsanierung des Kulturzentrums Gasteig.
Weitere Informationen unter www.mrg-gmbh.de