13.04.2022
Die Diskussion über Hochhäuser an der Willy-Brandt-Allee ist neu entfacht. Auslöser war ironischerweise der Versuch der SPD, die Debatte zu beenden.
Von „Klartext“ und „Schlussstrich“ spricht die SPD. Die Ortsvereinsvorsitzende Eva Blomberg und der Vorsitzende der Stadtratsfraktion, Christian Müller, erklären per Pressemitteilung: Man habe die Debatte über elf Hochhäuser entlang der Willy-Brandt-Allee, die im Sommer 2019 nach Vorschlag der Landschaftsarchitektin und früheren Buga-Geschäftsführerin Andrea Gebhard hochgekocht war, nicht angezettelt. „Aber wir beenden sie.“
Die SPD zieht damit die Konsequenz aus vielfältiger Kritik, die an Nachverdichtungsprojekten im Stadtbezirk Trudering-Riem geäußert wird: der fünfte Bauabschnitt der Messestadt mit seiner komplizierten Erschließung. Das Areal nördlich des Truderinger Bahnhofs, das früher als Frischluftschneise galt. Oder die Idee von Wohnungsbau am Rappenweg, trotz Altlasten aus früheren Gewerbeansiedlungen. Da wollte man offenbar wenigstens versprechen, dass der Grünstreifen südlich der Messe verschont bleibe.
Die elf Hochhäuser seien schlicht „eine Schnapsidee“, sagt Müller: „Das Allerletzte, was wir brauchen.“ Während Müller aber einräumt, weder mit dem stimmenstärkeren Koalitionspartner im Rathaus noch mit Stadtbaurätin Elisabeth Merk darüber gesprochen zu haben, sagt Blomberg selbstischer, es würde sie „schon extrem wundern, wenn die Grünen dafür wären“. Nun, Hurra schreien auch die Grünen nicht gerade. Von einer klaren Absage aber kann keine Rede sein. Herbert Danner, Ex-Stadtrat und noch immer für die Grünen im Bezirksausschuss, verweist auf seinen Antrag vom November 2019, dessen Inhalt nach wie vor gelte: Bei einer Weiterentwicklung der Messestadt müsse man sämtliche noch verfügbaren Flächen ins Auge fassen und die Bürger angemessen am Meinungsbildungsprozess beteiligen.
Gelungene urbane Verdichtung oder Schnapsidee? So jedenfalls könnten die Hochhäuser an der Willy-Brandt-Allee aussehen.
Christian Smolka, neu in der Grünen-Stadtratsfraktion, sagt, man müsse „zu gegebener Zeit“ diskutieren. Generell aber sei er eher für Hochhäuser als für die Versiegelung weiterer Flächen. Ein klares Nein sieht anders aus. Ähnlich bei der CSU: Seine Fraktion habe noch keine abgeschlossene Meinung, sagt Sebastian Schall, Stadtrat aus Trudering. Er selbst denke, ein bisschen mehr Höhe könne der Messestadt nicht schaden. Und derzeit besteche der Grünstreifen ja nicht gerade durch hohe Aufenthaltsqualität. Steht die SPD mit ihrem Basta also alleine? Nein, sie hat viele Bürgerinnen und Bürger hinter sich. In der Take Off! Nummer 74 vom Frühjahr 2020 ist es nachzulesen.
Gegen-Reaktionen reichten bis zur Aussage: „Wenn das kommt, ziehe ich weg.“ Es wurden Unterschriften gesammelt. Die Infrastruktur reiche schon jetzt kaum aus, hieß es.
Ob das aber die Stadtverwaltung überzeugen kann? Die Pressestelle von Stadtbaurätin Elisabeth Merk erklärt auf Take Off!-Anfrage, noch in diesem Jahr solle unter dem Stichwort „Messestadt 2.0“ die „Weiterentwicklung“ des Stadtteils diskutiert werden, unter anderem Baufelder am Messesee oder Freiflächen der Messe, aber auch die Willy-Brandt-Allee, natürlich mit angemessener Bürgerbeteiligung. Die Ideen Gebhards würden dabei „mit Interesse mitbetrachtet“.
Das dürfte Andrea Gebhard freuen. Sie hatte sich 2019 einige Mühe gemacht, Experten einbezogen und wohl hier und da vorgefühlt, ehe sie mit spektakulären Simulationen an die Öffentlichkeit ging. Zwischen 44 und 57 Meter hoch sollten die Häuser sein, innovativ aus Holz, die Fassaden architektonisch attraktiv, mit Nutzungen, die auch die Messestadt brauche wie Gastro und Läden, Radlgaragen, Co-Working-Spaces, begrünten Dächern, Sozialwohnungen und sozialen Einrichtungen. Gebhard betont, es sei nur ein Vorschlag, sie habe da keine persönlichen Interessen, sei aber geleitet von einer grundsätzlichen Liebe
zur Messestadt.
Würde die Messestadt heute gebaut, fiele manches sicher höher aus, das sehe man an den Plänen für die Bayernkaserne, erklärt sie. Und da führe nur die Tram hin, während die Messestadt zwischen zwei U-Bahnhöfen liege. Ohnehin will sie das Argument der fehlenden Infrastruktur entkräften: Das Viertel werde älter, der Druck auf die Schulen nehme ab. Neue Infrastruktur könne gerade in den neuen Häusern entstehen. Und die würden niemanden verschatten, raubten keinem den Alpenblick.
Gerne, sagt sie zum Schluss, komme sie in die Messestadt, wenn die Bürger diskutieren wollen. Es wäre sicherlich spannend, wenn Gebhard dabei auf Eva Blomberg oder Christian Müller träfe.
Text: Renate Winkler-Schlang
Visualisierungen: Mahl Gebhard