Vielleicht sind die Seifenblasen, die Kinder am Eröffnungstag vor dem Kopfbau in die Luft steigen lassen, ein gutes Symbol für das, was hier jetzt beginnt: Sie ändern ständig ihre Form und Farbe und steigen in luftige Höhen. Irgendwann zerplatzen sie zwar, hinterlassen aber Freude und Begeisterung auf den Gesichtern derer, die sie beobachtet haben. Und dann folgen die nächsten in den Wind.
Kreatives Chaos auf dem Kies
So ähnlich könnte man es sich auch für den glanzvoll renovierten Nazibau am Westrand des Parks und das „ExperRIEMent“ wünschen, das jetzt startet: Drei Jahre unterschiedliche Kulturveranstaltungen, ein buntes Programm, immer wieder anders, immer neue Anlässe zum Staunen.
Soviel los hier plötzlich: Vor dem Eingang trommeln Youssou Ndiaye und seine Percussion-Gruppe, Kinder toben in der Hüpfburg, malen bunte Bilder. Räder der Besucher parken kreuz und quer. Menschen treffen sich, Lachen und Wortfetzen hallen über die sonst oft so öde Kiesfläche – kreatives Chaos, soweit das Auge reicht.
Ungewöhnlich viel Platz für diese enge Stadt
Mehr Ordnung im Inneren des Kopfbaus. Ein paar parallele Stuhlreihen (größtenteils reserviert für Stadtratsmitglieder), eine Bühne, Stehtische und Bar unter einem lichten Glasdach.
Münchens Sozialreferentin Dorothee Schiwy lobt den Raum als gut gelungen. Sie hofft, dass er der Bevölkerung weiterhilft, die Kreativität und die Gestaltung ihres Viertels voranzubringen. Und sie ergänzt, dass so viel Platz nicht selbstverständlich sei in der immer enger werdenden Stadt.
„Ich hoffe von ganzem Herzen, dass es Ihnen gelingen wird, diesen Raum einzunehmen. Nutzen Sie diese Gelegenheit. Ich wünsche Ihnen ganz viel Freude damit.“ Sozialreferentin Dorothee Schiwy
Große Träume können hier Wirklichkeit werden, das macht auch Kulturreferent Anton Biebl deutlich. Sein Wunsch: Dass wirklich alle Messestädter sich im Kopfbau willkommen fühlen. Alle Menschen aus allen 112 Nationen.
„Kunst und Kultur brauchen einen Raum und Freiflächen. Hier haben wir beides. Das kann ein Erfolgsmodell werden.“
Verspätung an der Stadtspitze
Der Weg war lange bis zu diesem Eröffnungsevent. Quasi seit dem Start der Messestadt Ende der 90er Jahre haben Bewohner, Lokalpolitiker und Stadtverwaltung über die Zukunft des Kopfbaus diskutiert und gerungen, ihn zwischendurch fast vergessen – und dann doch noch eine Nutzung gefunden, die jetzt viele zufrieden und hoffnungsvoll stimmt. Und was macht es bei soviel Vorlauf schon aus, dass eine sogar noch ein bisschen länger braucht: Bürgermeisterin Katrin Habenschaden kommt verspätet zur Eröffnungsfeier. Sie wusste den Weg zum Kopfbau nicht, musste ihr Navi fragen. Und das hat sie erst mal falsch geleitet.
Kontroverse Kritik an der israelischen Besatzungspolitik
Doch das ist schnell vergessen. Nach den Begrüßungsworten der Stadtspitze nehmen die Bewohner den Kopfbau in Besitz. Die Messestädter Zoe Song und Samuel Grobbel moderieren den weiteren Verlauf des Festprogramms. Die Percussion-Gruppe trommelt jetzt auch drinnen. Muslima Salma Agharbi performt eine Art Poetry Slam – „Worte gegen Hass“. Ein Plädoyer für mehr Toleranz, gepaart mit Kritik an der israelischen Besatzungspolitik. Durchaus politisch kontroverse Thesen, die da stakkatoartig auf die geladenen Gäste einprasseln.
Begeisternde Akrobatik von zwei jungen Truderingerinnen
Besondere Begeisterung lösen Bettina Samolanji und Leana Balke aus. Die 13- und 12-jährigen Mädchen sind streng genommen zwei Truderingerinnen, aber auch sie fühlen sich im ehemaligen Kassenhäuschen für die Flugschauen sofort wie zuhause und führen auf, was sie ein paar Meter weiter bei Echo e.V. im Zirkus Krullemuck gelernt haben: Atemberaubende Paar-Akrobatik, die die Zuschauer zu Klatschsalven veranlasst.
Kocherlball im Kopfbau
Zum Schluss müssen dann alle geladenen Gäste ran: Gemeinsamer Volkstanz, paarweise, auf Kommando von Magnus Kaindl. Eine Stimmung macht sich breit, die sich am ehesten mit dem Kocherlball am Englischen Garten vergleichen lässt. Nur der Anteil der Teilnehmer in Tracht ist deutlich geringer. Und so ist diese Eröffnungsparty im Kopfbau auch ein Symbol für die ganze Messestadt, der man manchmal ja schon kurz anmerkt, dass sie mitten in München liegt, mitten in Bayern. Und die dann doch – seifenblasenartig – auch jederzeit eine andere Anmutung annehmen kann.
Diese Vielseitigkeit ist die große Chance des Viertels und des Kopfbaus. Denn in einem darf er gern den Seifenblasen nicht nacheifern: Mögen hier weniger Träume platzen als verwirklicht werden. Damit die Messestadt langfristig mit neuem Leben gefüllt wird.
Hans Häuser