v. l.: Gerd Henghuber, Sprecher der Bauherrengemeinschaft – Georgios Rebouskos, Planungsreferat Landeshauptstadt München – Hans Häuser, Moderator und Chefredakteur der Take Off! – Stefan Ziegler, Vorsitzender des Bezirksausschusses – Peter Grünbeck, Anwohner-Interessengemeinschaft Kirchtrudering – Tilman Renz, Bürgerforum Messestadt (Foto: R. Miesbach)

Nichts gelernt aus Neuperlach?

27.10.2023

Engagierter Talk im Kopfbau über den 5. Bauabschnitt, die „Arrondierung Kirchtrudering“

Wächst hier nun zusammen, was zusammen gehört, oder wachsen einfach nur zu viele Wohntürme zu weit in den Himmel? Um diese und andere Fragen zu klären, haben Take Off! und das Portal Unsere Messestadt das geplante Neubaugebiet am Westrand des Parks zum Thema ihrer aktuellen Diskussionsrunde „Talk im Kopfbau“ gemacht.

Im Planungsreferat der Stadt galt das Vorhaben jenseits des Kopfbaus an der Grenze zu Kirchtrudering lange als „der fünfte Bauabschnitt der Messestadt“. Und natürlich werden die derzeit geplanten 2.500 neuen Wohneinheiten in bis zu zwölfstöckigen Häusern Auswirkungen haben, auch auf die Messestadt. Trotz ziemlich unterschiedlicher Meinungen geriet die Diskussion zwar engagiert, aber auch friedlich und freundlich. Peter Grünbeck von der Anwohner-Interessengemeinschaft Kirchtrudering brachte die bei aller Kritik konstruktive Stimmung auf den Punkt mit dem Satz „Nette Menschen können ja verschiedene Meinungen haben.“

 

Entwurf für das geplante Neubaugebiet: Auf 25 Hektar sollen 2.500 Wohnungen entstehen.
 

Kritik gab es erwartungsgemäß vor allem an der Höhe und Dichte der Gebäude und deren Auswirkungen auf die Frischluftschneise, auf den Verkehr im gesamten Stadtbezirk und die soziale Infrastruktur. Dass diese Kritik nicht allzu harsch wurde, lag vielleicht an dem Gefühl, dass die Jury des Gestaltungswettbewerbs mit dem Entwurf von 03 Arch mit Studio Vulkan einen Plan ausgesucht hatte, der auch vieles richtig macht. Der Bezirksausschuss-Vorsitzende Stefan Ziegler (CSU) jedenfalls betonte: „Wie so oft im Leben muss man sich für das geringste Übel entscheiden.“

Große Straße, große Qualität?

Der von Take Off!-Chefredakteur Hans Häuser zum Auftakt befragte Architekt Georgios Rebouskos aus dem städtischen Planungsreferat verwies auf die Vorzüge des Konzepts: So seien die Wohnblöcke abgestuft zum Riemer Park und auch zum Kirchtruderinger „Straßl ins Holz“. Ein großer Boulevard in der Mitte des 25 Hektar großen Gebiets zwischen Friedhof und Rappenweg und zwischen Mitterfeld und Kopfbau biete als „Entlastungsstraße“ eigene Busspuren: „Große Straße, große Qualität“, sagte er.

Die Häuser in der Mitte des Gebiets seien „höher, weil sie höher sein können“. Man zeige hier „den Mut, zeitgemäß zu bauen“. Moderator Häuser präsentierte zum Vergleich ein Bild vom Brainlab-Tower: Sogar noch etwas höher hinaus als dessen 35 Meter will das Neubaugebiet an immerhin vier Stellen. Untergebracht im Gebiet werden ferner eine Grundschule nahe der Bahn, ein Jugendtreff am Rand des Parks, ein Seniorenwohnheim, Gewerbeflächen und eine Hochgarage beim Friedhof – und an den zentralen Plätzen möglichst auch Läden.

Weniger geförderte Wohnungen

40 Prozent der Wohnungen werden geförderte sein – eine geringere Quote als in der Messestadt. Noch wird der Entwurf konkretisiert, noch zwei Mal hat die Öffentlichkeit in diesem Prozess die Chance, mitzureden. Frühestens 2028 könne Baubeginn sein, erklärte Gerd Henghuber, Sprecher der Bauherrengemeinschaft, zu der neben der Stadt und privaten Investoren auch die Bayrische Hausbau gehört. Noch werde nichts vermarktet, jedoch gebe es bereits erste Anfragen. Zur Info verwies Henghuber aufs Internet: Die Bauherrengemeinschaft informiert auf www.ba5-im-dialog.de.

Anwohner Grünbeck aber sprach von einer „Dichte wie in Paris, Manhattan oder Hongkong“. Tilman Renz, Vertreter des Bürgerforums Messestadt, erklärte: „Das wirkt schon recht heftig.“ Damit hatten sie auch im Publikum einen Nerv getroffen. Eine Besucherin erklärte, sie sei eigens aus Neuperlach weggezogen und könne es nicht fassen, dass die Stadt nichts dazulerne. „Peinlich“ sei das. Herbert Danner, Bezirksausschussmitglied der Grünen, monierte: „Diese Dichte ist keine gute Antwort auf diesen Ort.“ Er wolle keine Reihenhäuschen hier, wohl aber ein „Scharnier“ hin zu Kirchtrudering. Gerade an der Kante zum Straßl ins Holz sei der Entwurf „erschlagend“.

 

Intensive Diskussion: Auch viele der rund 50 Gäste im Publikum brachten ihre Ansichten ein.

 

Dichte Bebauung gegen Wohnungsnot

Einige hofften, dass mit diesem großen Zuwachs in der Umgebung wenigstens die Idee eines Hochhausbandes entlang der Willy-Brandt-Allee vom Tisch sei. Das konnte ihnen Eva Regensburger vom Planungsreferat nicht für alle Zeiten zusagen, sie verkündete jedoch, dass dies „derzeit kein Thema“ sei.

Zur Dichte und Höhe des geplanten Viertels kamen allerdings auch bejahende Stimmen: So sagte eine Messestädterin, es gebe auch gute Beispiele für Dichte, etwa im Werksviertel. Und Stefan Blomberg von der örtlichen SPD verwies auf die Wohnungsnot: „500 Wohnungen weniger sind 500 Familien ohne Wohnung.“ Der Vertreter des Planungsreferats gelobte Verbesserung: Es sei in der Behörde auch schon aufgefallen, dass es hin zu Kirchtrudering „ein sehr abrupter Übergang“ sei.

Bitte nicht noch eine weiße Stadt!

Einigen Rednern ging es um die Qualität dessen, was da entstehen soll. Gut sei, dass die Straßen nicht alle schnurgerade sein werden wie in der Messestadt. Wichtig wäre eine Architektur nicht nur in einheitlichem Weiß, gewünscht mehr Kleinteiligkeit als in der Messestadt und ansprechende Fassaden. Das Gebiet könne „sehr schön, aber auch total hässlich“ werden, die Bauherren hätten dies in der Hand, so eine Rednerin. Henghuber versicherte, man strebe nach hochwertigen Lösungen, nachhaltigen Materialien und grünen Fassaden – was jedoch im Publikum mit Skepsis aufgenommen wurde. Das Planungsreferat erklärte, es werde wie in der Messestadt eine eigene Gestaltungskommission geben.

Messestadt-Künstler Michael Lapper sprach von der „Todeszone Erdgeschoss“: Er hoffe, dass es dort schneller als in der Messestadt gelinge, kleinteilige Läden oder Handwerksbetriebe unterzubringen. Gewünscht wurde auch die Chance für Genossenschaften.

Weniger frische Luft?

Groß war die Skepsis auch bei den Aussagen des Planungsreferats, das Neubaugebiet werde klimatechnisch keine Riegelwirkung haben, weil es in Ost-West-Richtung einige Durchgänge für den Wind biete. Modelle hätten errechnet, dass die Frischluftschneise weiter funktionieren werde. Ja sogar kühler könne es an einigen Stellen werden, rechnerisch. Da habe es früher ganz andere Aussagen gegeben, entgegnete ein Besucher. Dem widerspreche auch die eigene Erfahrung und der gesunde Menschenverstand, meinte Grünbeck.

Angezweifelt wurde im Auditorium auch die Aussage Rebouskos‘, bei 2.500 Wohneinheiten könne man mit 2,3 Mal so vielen Einwohnern rechnen. In der Messestadt seien das vielerorts eher 2,3 Kinder, also durchschnittlich eher 4,3 Bewohner je Wohnung. Das sollte die Stadt berücksichtigen bei der Planung von Kitas und Schulen.

Noch keine detaillierte Verkehrsplanung

Keine Planungsdiskussion ohne Verkehrsfragen: Bürgerforums-Vorstand Renz mahnte gute Radwegverbindungen an. Mancher Parkweg ende doch arg unvermittelt im Neubaugebiet. Es könne nicht sein, dass Radler an der Durchgangsstraße an einer Fußgängerampel ausgebremst werden. Über eine Brücke sei noch nicht entschieden, entgegnete Rebouskos. Einige Bürgerinnen und Bürger fragten sich, was eine 800 Meter lange Busspur bringen könne, wenn es sowohl am Mitterfeld wie am Rappenweg eng weiter gehe.

Und überhaupt: Wohin bringen denn die Busse die Menschen? Detaillierte Verkehrsplanung stehe noch aus, sagte Rebouskos. Und der Bezirksausschuss-Vorsitzende Ziegler erklärte, das hänge auch damit zusammen, wo in der Nähe des Rappenwegs ein neuer S-Bahn-Halt platziert werden könne. Das aber sei Zukunftsmusik, schließlich warte man auf Antworten der Bahn „nicht fünf Monate, sondern fünf Jahre“. Freilich gab es bei der Stadt erste Überlegungen zur Bebauung des Areals bereits Anfang dieses Jahrtausends.

Anwohner-Vertreter Grünbeck kündigte an, die IG Kirchtrudering werde an vielen Stellen noch „versuchen Einfluss zu nehmen. Wir haben noch so einiges vor.“

Renate Winkler-Schlang

Gerd Henghuber, Sprecher der Bauherrengemeinschaf

„Es fängt sehr früh an. Männliche Jugendliche unter 14 werden in der Messestadt öfter registriert als im Durchschnitt der Stadtviertel. Aber es gibt keine Clans, keine Struktur, keinen großen Chef oder Anführer.“

Georgios Rebouskos, Planungsreferat Landeshauptstadt München

„Leider halten sich Väter bei der Kindererziehung oft im Hintergrund.Viel Interaktion passiert da nicht.“

Stefan Ziegler, Vorsitzender des Bezirksausschusses

„Im Quax wahren wir unser Hausrecht. Natürlich werden versuchte Drogendeals sofort zur Anzeige gebracht. Das gab es immer wieder. Aber es sprengt nicht den Rahmen.“

Peter Grünbeck, Anwohner-Interessengemeinschaft Kirchtrudering

„Wenn viele Jugendliche zusammenstehen, kann das für Ältere aggressiv erscheinen. Helfen könnte den Senioren da auch ein Zivilcourage-Training.“

Tilman Renz, Bürgerforum Messestadt

„Nach Corona kommt das Jugendcafe im Quax erst langsam wieder in Schwung. Die Jugendlichen im Nacht-Basketball verhalten sich vorbildlich.“

Fotos: K.-M. Brand und R. Miesbach

Gerd Henghuber, Sprecher der Bauherrengemeinschaf

„Es fängt sehr früh an. Männliche Jugendliche unter 14 werden in der Messestadt öfter registriert als im Durchschnitt der Stadtviertel. Aber es gibt keine Clans, keine Struktur, keinen großen Chef oder Anführer.“

Georgios Rebouskos, Planungsreferat Landeshauptstadt München

„Leider halten sich Väter bei der Kindererziehung oft im Hintergrund.Viel Interaktion passiert da nicht.“

Stefan Ziegler, Vorsitzender des Bezirksausschusses

„Im Quax wahren wir unser Hausrecht. Natürlich werden versuchte Drogendeals sofort zur Anzeige gebracht. Das gab es immer wieder. Aber es sprengt nicht den Rahmen.“

Peter Grünbeck, Anwohner-Interessengemeinschaft Kirchtrudering

„Wenn viele Jugendliche zusammenstehen, kann das für Ältere aggressiv erscheinen. Helfen könnte den Senioren da auch ein Zivilcourage-Training.“

Tilman Renz, Bürgerforum Messestadt

„Nach Corona kommt das Jugendcafe im Quax erst langsam wieder in Schwung. Die Jugendlichen im Nacht-Basketball verhalten sich vorbildlich.“

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