(Foto: Lucas Lomnicki)
05.05.2023
Als Rapper Double L schreibt Messestädter Lucas Lomnicki Texte, rappt und produziert seine Musik selbst. Mit dem Song „Revue“ blickt er zurück auf seine Jugend im Viertel. Wir haben den 24-Jährigen im Riemer Park getroffen, wo er auch das Musikvideo zu „Revue“ gedreht hat.
„Ich war ein kleiner Junge, umgezogen mit zehn Jahren
In einem Problembezirk mit dem Namen Messestadt
Und wer hätte das gedacht, was dieses Viertel aus mir macht
Bekam häufig auf die Fresse, doch mich stärkte jeder Schlag“
Textzeilen aus “Revue”
Take Off!: Was fällt dir zuerst ein, wenn du an deine Kindheit in der Messestadt denkst?
Lucas Lomnicki: Wir haben vorher am Olympiapark gewohnt. Als Kind hat man es nie leicht, wenn man alles hinter sich lassen muss. Mit meinen neuen Freunden war ich oft auf dem Bolzplatz oder Skatepark. Aber über die Jahre sind viele abgedriftet in eine kriminelle Schiene. Mit diesem Milieu hatte ich unfreiwillig dann auch Kontakt.
Was hast du da als Jugendlicher erlebt?
Drogen waren für mich ein Ausbruch aus der Realität. Nicht viele Freunde aus der Messestadt haben mit mir zusammen das Michaeli-Gymnasium besucht. Die meisten waren hier auf der Mittelschule. Und das waren die, die eher dazu geneigt haben, Scheiße zu bauen. Das hat mich irgendwie gereizt.
Welche Drogen wurden in deinem Freundeskreis konsumiert?
Kokain, Ecstasy, LSD. Das habe ich nicht genommen. Aber früher habe ich wirklich viel Gras geraucht. Ein paar meiner Leute sind darauf hängen geblieben. Ich habe mich rechtzeitig davon distanziert. Mir war das Risiko bewusst. Aber zu Hause und in der Schule gab es natürlich ein paar stressige Momente. Für mich war es eher dieses Ausprobieren, es war cool. Aber es war nie eine Problemlösung für mich. Andere wollten mit den Drogen sicherlich auch ihre Probleme lösen und Emotionen unterdrücken. Das funktioniert nicht. Aber ich verurteile sie nicht. Und sie mich auch nicht, nur weil ich da nicht mitmache.
„Und irgendwann kam ich dann in den Kontakt mit Hasch
Und auch den grünen Knollen und gеnau durch dieses Gras
Waren all mеine Synapsen dann betäubt
Während dieser Zeit war meine Psyche voll kaputt durch Streit und Schwierigkeiten“
Haben deine Eltern mit dir über die Gefahren durch Drogen gesprochen?
Ja, von ihnen habe ich die Vorsicht übernommen. In der Schule kam das Thema erst in der Oberstufe. Viel zu spät.
Wie groß würdest du denn das Problem mit Drogen einschätzen im Vergleich zu anderen Stadtvierteln?
Schwer zu sagen, weil es sich ja meist im Untergrund abspielt. Aber was ich so mitbekomme, gibt es hier den ein oder anderen Kontakt für solche Substanzen mehr als in anderen Vierteln Münchens. Wenn man fragt, wo man schnell Gras bekommen kann, dann hört man meistens Neuperlach, Hasenbergl oder Messestadt zuerst. Mittlerweile auch Berg am Laim.
Was, denkst du, hätte dir als Jugendlicher helfen können?
Schwierig. Das Problem ist ja, dass sich so Paralleluniversen bilden. Kids aus der Messestadt, die hier auf die Mittelschule gegangen sind, harmonieren nicht gut mit Leuten aus Gymnasien oder Universitäten. Ich studiere Geographie an der Ludwig-Maximilians-Universität. Die ticken komplett anders. Als ich in der Messestadt Geburtstage gefeiert habe, habe ich beide Gruppen eingeladen. Aber da haben sich sofort Grüppchen gebildet. Und ich weiß wirklich nicht, was man machen könnte, um diese Gruppen zusammenzubringen.
„Im Gymnasium Mitschülern zu asozial
Doch in meinem Viertel nur der Streber der bald Abi hat“
In der Messestadt wird auch immer wieder diskutiert, ob es gut ist, dass hier inzwischen deutlich mehr Polizei präsent ist. Wie nimmst du das wahr?
Wenn Polizei in der Messestadt Leute anhält, dann ist das meistens für eine Taschenkontrolle. Wenn sie dabei eine kleine Menge Gras finden, werden direkt die Personalien aufgenommen, es wird zur Anzeige gebracht und man ist vorbetraft. Das belastet und provoziert. Im Viertel haben viele Leute etwas gegen die Polizei, weil sie verdächtigt werden – wegen ihrem Aussehen. Und die Polizei konzentriert sich auf die falschen Sachen. So viele rauchen hier am See im Sommer Gras und müssen Angst haben, wegen eines Joints eine Strafanzeige zu bekommen. Lieber sollte sich die Polizei auf Gewaltprävention fokussieren, damit die Menschen sich hier sicher fühlen. Und auf die Strukturen der Dealer.
So eine Kontrolle – Ist dir das auch schon passiert?
Ja. Ist halt unangenehm, wenn du durchsucht wirst. Dir in den Intimbereich gefasst wird. Das passiert direkt vor Ort. Nur wenn du Widerstand leistest, kann es sein, dass man auf die Wache kommt.
„Nachdenklich in der Nacht, denke ich nach und lass Revue passieren
Abhängig von den Drugs, denn wir sahen unsere Zuflucht hier
Vergangenheit ein Teil von mir
Erinnere mich und reflektier
Es ist schon so viel passiert und ich bin dankbar für, bin so dankbar für“
Wie entstehen deine Texte?
Ich musste erst realisieren, dass ich meinen eigenen Style kreieren muss. Damit ich ein Unikat werde und keine Kopie. Ich habe immer sehr viel Kollegah gehört. Er macht sehr viele Wortspiele und lange Reimketten. Meine ersten Texte waren einfach nur darauf ausgelegt, die Reimketten so lange wie möglich zu halten und darin interessante, lustige Wortspiele zu verpacken. Jetzt geht es mir mehr darum, Erlebnisse in meine Texte zu packen.
Und musikalisch?
Früher waren es ganz einfache, klassische Beats aus den 90ern. Inzwischen probiere ich moderne Melodien aus. Es ist anspruchsvoller, darauf zu rappen. Nur so kann ich mich weiter entwickeln. Und ich höre mir zuerst eine Melodie an, höre, was mir der Beat sagen will, und dann entscheide ich das Thema für meinen Text.
Wie viel hast du geübt, bis du so rappen konntest wie heute?
Es erfordert jahrelange Übung. Man sollte echt dranbleiben. Aber nicht von sich überzeugt sein, der Allerkrasseste zu sein. Weil man kann immer was lernen! Bei mir war es so: Ich habe meine Musik auf Streaming-Plattformen veröffentlicht. Es kam Resonanz zurück von Freunden, die auch ein Ohr für Musik haben. Die haben mir gesagt, woran ich noch feilen soll. Zum Beispiel hatte ich früher immer sehr viele Silben pro Zeile, dann wird es schwer mit dem Atmen. Heute klingt es weniger hektisch, smoother. Dass der Flow in meinen Songs heute besser ist, habe ich also meinen Freunden zu verdanken.
Wenn ich an Rap denke, fallen mir auch sofort Debatten um frauenfeindliche Texte, Sexismus und andere -ismen ein. Du beschreibst deine Texte auch als „hart“. Wo ziehst du denn Grenzen?
Es gibt in Deutschland die Kunstfreiheit. Jeder muss für sich selbst wissen, was er mit seinen Werten vereinbaren kann. Ich sage mal, ich beleidige keine Mütter von anderen in meiner Musik. Ich mache keine Minderheiten oder Frauen runter. Auch wenn ich hin und wieder ein Schimpfwort droppe, ist mir bewusst, dass ich mit meiner Musik Einfluss habe bei meiner Hörerschaft. Ich weiß auch, dass Grundschüler meine Musik hören. Drogen zum Beispiel werde ich in meiner Musik nicht verherrlichen, auch wenn ich nicht leugne, dass es sie gibt. Wenn ich die Gefahren aufzeige, können die Zuhörer vielleicht was von meinen Erfahrungen mitnehmen. Am wichtigsten ist mir aber die Leute zu unterhalten, dass sie den Vibe von mir catchen und fühlen.
Weißt du, wer deine Musik anhört?
Ich bekomme mit, dass meine Musik hier in der Messestadt tatsächlich viel gehört wird: alte Freundeskreise, aber auch Leute, die ich nicht kannte. Mir ist es schon passiert, dass ich mit meinem Künstlernamen angesprochen wurde und nicht mit meinem echten Namen. Am See habe ich meine Musik auch schon gehört.
Wie fühlt sich das an?
Ein gemischtes Gefühl. Manche Texte passen vielleicht nicht zu einem Sommertag, an dem der See voll ist, wo auch Familien da sind. Aber abends, wenn man gemütlich zusammen am See sitzt, da kann man meine Musik gut anhören.
Das Interview führte Theresa Höpfl
Angefangen mit der Musik hat Lukas mit einem Musikworkshop 2017 im Quax. Er hat schon als Kind Hip-Hop gehört und bringt direkt eigene Texte mit. Damit beeindruckt er den Musikcoach Maurizio „Mauro“ Pittino. Der lässt ihn später erste Songs in seinem Tonstudio in Obersendling aufnehmen. Über Beats, Rhythmen und seine Texte kann Lucas sich ausdrücken. Er hört deutschen, US-amerikanischen und französischen Hip-Hop, lässt sich davon inspirieren und versucht sein eigenes Ding zu machen. Meist rappt er auf Deutsch. Einige Zeilen hat er aber auch schon in seiner Muttersprache Polnisch geschrieben. Zu hören etwa auf Youtube im Song „Brigada II“ (von Costa und Double L).
Angefangen mit der Musik hat Lukas mit einem Musikworkshop 2017 im Quax. Er hat schon als Kind Hip-Hop gehört und bringt direkt eigene Texte mit. Damit beeindruckt er den Musikcoach Maurizio „Mauro“ Pittino. Der lässt ihn später erste Songs in seinem Tonstudio in Obersendling aufnehmen. Über Beats, Rhythmen und seine Texte kann Lucas sich ausdrücken. Er hört deutschen, US-amerikanischen und französischen Hip-Hop, lässt sich davon inspirieren und versucht sein eigenes Ding zu machen.
Meist rappt er auf Deutsch. Einige Zeilen hat er aber auch schon in seiner Muttersprache Polnisch geschrieben. Zu hören etwa auf Youtube im Song „Brigada II“ (von Costa und Double L).