v. l.: Karl-Michael Brand, Jugendzentrum Quax – Zoe Song, Jugenvertreterin – Philippe Leonpacher, Jugend-Übungsleiter – Hans Häuser, Moderator und Chefredakteur der Take Off! – Rudolf Amon, Polizeiinspektion Trudering-Riem – Gerhard Endres, Seniorenvertreter – Dina Bouskouchi, Interkulturelles Forum für Frauen und Familien – Michael Wübbold, Allparteiliches Konfliktmanagement in München (AKIM) 

Mehr Sicherheit, mehr Spaß, mehr Reden

10.03.2023

Erster Talk im Kopfbau sammelt zahlreiche Ideen für ein besseres Miteinander in der Messestadt

Wie viel Sicherheit braucht die Messestadt? Mehr als jetzt, könnte man antworten nach dem ersten „Talk im Kopfbau“ zu diesem Thema, den wir und die vom Verein Echo betriebene Plattform Unsere Messestadt (unsere-messestadt.de) gemeinsam veranstaltet haben.
Erschütternde Berichte vor allem von Frauen waren am Donnerstag Abend zu hören. Ein Mehr, so die Erkenntnis, braucht es aber auch an Respekt für die Situation mancher Jugendlicher, die in ihren Familien keine positiven Vorbilder und in der Gesellschaft keine Perspektive haben. Wichtig wäre auch ein Mehr an professioneller Hilfe und an coolen Angeboten für die Freizeitgestaltung, und das alles so schnell wie möglich. Nebenbei gewonnene Erkenntnis des anregenden Abends mit 130 Besuchern am Westrand der Messestadt: Reden ist wichtig. Und das denkmalgeschützte ehemalige Kassenhäuschen der Flughafentribüne eignet sich hervorragend für dieses neue Format „Talk im Kopfbau“ – von dem es schon im Herbst mehr geben soll.

Wunsch nach mehr Polizeipräsenz

Super schön, sagte etwa eine junge Frau, wohne sie hier in der Messestadt. Doch kürzlich sei sie angegriffen worden und habe auch von Passanten keine Hilfe erfahren. Schwanger sei sie und frage sich nun: „Will ich wirklich, dass mein Kind hier aufwächst?“ Eine andere Frau berichtete unter Tränen, sie sei schon öfter als Hure und Schlampe beschimpft worden von jungen Männern, aber auch als „Scheiß Deutsche“ von deren Frauen. Nach einem Kinoabend in der Stadt fahre sie mit dem Taxi vor die Haustüre, der nächtliche Weg von der U-Bahn nach Hause sei ihr nicht mehr geheuer. Ihr Wunsch: Mehr polizeiliche Präsenz in Uniform.

Alle, die die Diskussion daheim über den Video-Livestream verfolgten, konnten mit ihrer Meinung online teilnehmen.

 

Nicht mehr Kriminalität als in anderen Stadtvierteln

Hans Häuser, Take Off!-Chefredakteur und Moderator des Abends, bat den Vertreter der Polizei, den stellvertretenden Leiter der Inspektion für Trudering-Riem, Rudolf Amon, um das erste Statement. Dieser erklärte, ein „paar unschöne Ereignisse“ wie die Verhaftung eines Mörders aus dem Drogenmilieu, die Jugendliche zu vereiteln versucht hatten, und die Randale auf dem Platz der Menschenrechte in der Silvesternacht, wirkten in den Köpfen noch nach. Doch insgesamt sei die Kriminalitätsrate in der Messestadt nicht höher als in vergleichbaren Vierteln. Es gebe allerdings eine Rauschgiftproblematik. Der Platz der Menschenrechte sei als Treff von Gruppen männlicher Jugendlicher abgelöst worden von Kellern oder Tiefgaragen. Für Normalbürger sei das Leben in der Messestadt sicher, auch nachts – solange man nicht aus Versehen einen Drogendeal störe. Die Polizei sei präsent und werde auch vom USK (Unterstützungskommando) verstärkt.

Genau vor diesem wiederum fürchtet sich nach eigenen Angaben ein Vater dreier Jugendlicher. Er selbst wechsle die Straßenseite, wenn diese Beamten patrouillieren. Es könne auch nicht angehen, dass 13-Jährige auf Angst einflößende Weise kontrolliert würden. Überhaut entstehe der Eindruck, dass die Polizei die Jugend unter Generalverdacht habe und ihrerseits überreagiere.

Viele engagierte Jugendliche

Viele langjährige Bewohner des Viertels betonten aber auch, wie „sehr sehr sehr“ gerne sie in der Messestadt wohnen und dass sie sich durchaus nicht unsicher fühlen. Auf dem Podium herrschte Einigkeit, dass Schwarz-Weiß-Denken nicht weiterhilft. Karl-Michael Band, Leiter des Jugendzentrums Quax, sang, unterstützt von Zoe Song und Philippe Leonpacher, ein Loblied auf die engagierten Jugendlichen aus dem Quax, die sich mit der Einrichtung identifizierten, weswegen es dort auch sehr wenig Vandalismus gebe. Dina Bouskouchi vom Interkulturellen Muslimischen Forum erklärte, es brauche dennoch viel mehr Orte für sinnvolle Freizeitgestaltung, gerade jetzt, nach Corona. Gerhard Endres, Seniorenvertreter, sprach von der Angst mancher Älterer, aber auch von zunehmender Respektlosigkeit allerorten, unter anderem auch die mancher Besitzer von „Hunden mit den großen Mäulern“ im Riemer Park. Michael Wübbold und Akim, Allparteiliches Konfliktmanagement in München, sind seit einigen Wochen wieder in der Messestadt aktiv, um alles in bessere Bahnen zu lenken. Sein Angebot an alle Bewohner: Wer eine Idee für ein besseres Miteinander habe, bekomme von AKIM Rat und Unterstützung.

Viele konkrete Vorschläge

Was aber könnte man konkret tun? Ammon riet allen, in einer brenzligen Situation ohne Zögern die 110 zu wählen. Die Polizeiinspektion sei in der Nähe. Zudem könne die Statistik ja auch nur Taten zählen, die angezeigt wurden. Brand erklärte, es sei wichtig, dass Jugendliche, die konstruktiv mitmachen, auch zeitnah Erfolge sehen: 15 Jahre Planungszeit für einen simplen Unterstand im Park, das sei fatal. Eva Blomberg, Mittelschullehrerin, rief alle auf, der Jugend Perspektive zu bieten, ganz konkret in Form von Praktikaplätzen. Ein Vertreter von St. Florian erklärte, die Kirche wolle das dort bereits breite Angebot für die Jugend weiter ausweiten. Die künftige Leiterin der neuen Stadtbücherei, lud alle ein in diesen „kommerzfreien“ Raum. Im Mai wird er öffnen. Das Management des Shoppingcenters Riem Arcaden will sich ebenfalls stärker im Viertel engagieren und stellte ein Fotoprojekt samt Ausstellung für Jugendliche in Aussicht. Das Quax will dem Wunsch der Jugend nach Kinoabenden nachkommen und auch dem nach einer Art kostenlosem Fitnessstudio, schließlich habe die Messegesellschaft anlässlich ihres Jubiläums Geld zugesagt. Da fehle dann nur noch jemand mit Trainerschein.

Fortsetzung folgt

Ob das alles reicht und was die Politik nun tun kann und soll und will, das soll Gegenstand des nächsten Talk im Kopfbau im Herbst sein. Das versprach der Moderator Hans Häuser. Sein Wunsch: Beim nächsten Mal auch mehr Jugendliche im hoffentlich wieder vollen Saal.

Text: Renate Winkler-Schlang
Fotos: Reinhard Miesbach

Rudolf Amon, Polizeiinspektion Trudering-Riem

„Es fängt sehr früh an. Männliche Jugendliche unter 14 werden in der Messestadt öfter registriert als im Durchschnitt der Stadtviertel. Aber es gibt keine Clans, keine Struktur, keinen großen Chef oder Anführer.“

Dina Bouskouchi, Interkulturelles Forum für Frauen und Familien

„Leider halten sich Väter bei der Kindererziehung oft im Hintergrund.Viel Interaktion passiert da nicht.“

Karl-Michael Brand, Jugendzentrum Quax

„Im Quax wahren wir unser Hausrecht. Natürlich werden versuchte Drogendeals sofort zur Anzeige gebracht. Das gab es immer wieder. Aber es sprengt nicht den Rahmen.“

Gerhard Endres, Seniorenvertreter

„Wenn viele Jugendliche zusammenstehen, kann das für Ältere aggressiv erscheinen. Helfen könnte den Senioren da auch ein Zivilcourage-Training.“

Philippe Leonpacher, Jugend-Übungsleiter

„Nach Corona kommt das Jugendcafe im Quax erst langsam wieder in Schwung. Die Jugendlichen im Nacht-Basketball verhalten sich vorbildlich.“

Zoe Song, Jugenvertreterin

„Aufwachsen in der Messestadt war toll. Der Park, das Quax, nicht so diese krasse Anonymität, alles super multikulturell.“

Michael Wübbold, Allparteiliches Konfliktmanagement in München (AKIM)

„Wer konkrete Ideen hat, kann sich gerne an Akim wenden. Wir beraten und vermitteln Unterstützung“