
15.10.2025
Take Off!: Pfarrer Czempik, lieber Arek, die E-Mail zum bevorstehenden Abschied kam überraschend. War das ein Schnellschuss?
Pfarrer Arkadiusz Czempik: Nein, das wusste ich natürlich schon etwas länger. Es hat sich während meines geistlichen Coachings mit einem Jesuitenpater so nach und nach ergeben. Ich hatte verstanden, dass ich nach meinen acht Jahren hier im Pfarrverband Vier Heilige Trudering Riem eine neue Herausforderung, auch zum Beispiel vielleicht nur ein dreimonatiges Sabbatical bräuchte, in dem ich etwas ganz anderes tun würde. Ich merkte, dass mein Arbeiten halt nicht mehr so greift. So wie eine Schraube, die wir beim Bau des Hühnerstalls im Pfarrgarten (vgl. Take Off! Nr. 95, erscheint Anfang November) ins Holz drehen wollten, aber die einfach nicht hält, sondern durchdreht. Also beschloss ich – „No Risk, no Fun!“ – mit den Verantwortlichen darüber zu sprechen. Als dann recht schnell von der Diözese die Frage zurückkam, ob ich das als Ruf Gottes sehe, konnte ich nur antworten: „Ja, irgendwie schon …“
Ich möchte wieder in die Welt hinausgehen, z.B. als Missionar, um ganz nah bei den Menschen zu sein, die mich auch bedürfen. Und so darf ich nun tatsächlich in die Mission gehen und doch in München bleiben. Ich werde zu 50 Prozent in der italienischen Mission arbeiten und werde für die anderen 50 Prozent mit der Seelsorge für junge Menschen in allen muttersprachlichen Gemeinden Münchens betraut sein. Ich gehe wieder mehr an die Ränder und darf weiterhin – wie schon in St. Florian – sehr international arbeiten. So kann ich meine Fähigkeiten wie zum Beispiel meine Sprachbegabung nutzen.
Letztendlich war aber der Stellen- und Aufgabenwechsel die Entscheidung der Diözese. Ich bin sehr gespannt und weiß nicht, was mich alles erwartet. Aber, als man mir meine Aufgaben vorstellte, hat es bei mir gleich geblubbert. Ein Pfarrer braucht schon das innere Feuer. Auch, wenn es durchaus mal trockenere Phasen zu überstehen gibt.

Wie siehst du rückblickend deine Zeit als Pfarrer im Pfarrverband Trudering Riem?
Meine Arbeit hier hat mit einem charmanten Zauber begonnen. Ich wurde hier wirklich sehr herzlich aufgenommen. Allerdings habe ich auch bald gemerkt, dass manche Vorstellungen über die gemeinsame Arbeit und das Zusammenwirken von Trudering, Messestadt und Riem doch sehr auseinandergehen. Und der neu gegründete Pfarrverband war ja auch erst mal eine große Baustelle. Aber ich hatte damals vom ersten Moment an gewusst, dass diese Aufgabe das richtige für mich war. Freude und Friede haben mich von Anfang begleitet.
Was waren in den vergangenen acht Jahre deine Highlights in der Messestadt?
Da denke ich gleich an die Internationalität und die Ökumene. Sie erweiterte sich recht schnell durch die syrisch-orthodoxen Christen, mit den wir zusammen bunte Feste feiern durften: Einheit in Vielfalt.
Dann natürlich die schönen musikalischen Adventsevents in den Riem Arkaden. Diese so gegenseitig wertschätzende und unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem Management des Shoppingcenters hatte ich anfangs nicht erwartet. Oder die Kamele an Hl. Dreikönige auf dem Platz der Menschenrechte sowie die feierlichen Feuerwehrgottesdienste.
Und diese wohl in der Diözese so einzigartige Bergmesse auf unserem Rodelhügel. Das hat doch sonst keiner. Diese besondere Open-Air-Messe gabs bereits, als ich in die Messestadt kam. Eine echte Messestädter Tradition, die ich mit großer Freude gern weitergeführt habe. Das ist auch immer ein starker Moment des Pfarrverbandes. Da kommen alle auf den Hügel, auch viele aus anderen Ortschaften. Dem Himmel ist man so etwas näher (schmunzelt). War auch immer spannend, denn man wusste nie, wie das Wetter wird.
Ich denke auch gern an unsere die Glaubenskurse und die internationalen Weihnachtsfeste. Begonnen hatten wir mit der polnischen Weihnacht. Dann folgte bald die italienische und dann die internationale Weihnacht. Da kamen Menschen aus dem Irak, aus Indien und, und, und. Eine so große Vielfalt an Menschen und Kulturen und jeder bringt seine Talente und Schätze mit! Bei diesen tollen Veranstaltungen wurde für mich Glaube wunderbar greifbar. Ein Wort noch zum riesigen Auferstehungsfenster in St. Florian: Das ist eine Explosion des Lichts und der Freude ins Dunkle hinein. Es ist so groß. Man kann sich vorstellen, die Strahlen gehen immer weiter, bis ins Unendliche. Und doch ist es auch irgendwie verborgen, denn von außen sieht man das Fenster nicht. So ähnlich wie der unsichtbare, aber reale Gott, den wir innerlich sehr gut wahrnehmen können, aber nicht immer von außen sehen können.
Was fehlte oder hätte besser laufen können?
Ich hatte schon noch ein paar Ideen, z.B. das Zukunftsforum, die dann leider nicht geklappt haben. Wenn ich heute durch die Messestadt oder Trudering fahre, sehe ich immer wieder Einrichtungen, wo ich denke, „da war ich noch gar nicht und da könnte man doch …“ Es gibt auch sicher einigen Schmerz, wenn ich denke: Hätte man dies oder jenes nicht anders und besser machen können oder müssen? Auch hinsichtlich der Menschen, die ich oder wir nicht erreicht oder auch verloren haben.
Aber man kann nicht Retter der Welt sein: Wenn überhaupt bin ich nur ein Esel des Erlösers, auf dem er reitet. Der Esel muss und kann auch dann mal wieder verschwinden. Letztlich ist Gott derjenige, der macht. Und jetzt möchte ich mich jeden Tag wieder auf die Suche nach ihm machen.
Was war dir noch besonders wichtig?
Die Jugend. Ich habe z. B. recht schnell den Jugendgebetskreis gegründet. Da haben Erwachsene nichts zu suchen – da sollen Jugendliche ihre Meinung finden und sagen. Zum Gebetskreis treffen sich die Jugendlichen in der Kirche und sitzen auf der Altarinsel. Man hat mir mal vorgeworfen, ich möchte nicht, dass Leute auf der Altarinsel sitzen. Das ist doch Quatsch, habe ich sicher nie so gemeint.
Die Jugend ist eine große Bereicherung und: Jugend ist Kirche! Papst Franziskus sagt mal zur Jugend: „Ihr seid nicht nur die Zukunft der Kirche, sondern auch die Gegenwart.“ Ich denke schon, dass die Jugend in St. Florian ihren Platz hat. Ich sehe hier auch mehr Jugendliche als in anderen Pfarreien.
In der vorletzten Take Off! Nr. 93 hatten wir als Aufreger einen Artikel über das öde Brachland neben der Kirche. War das für dich als Verantwortlicher ein Thema?
Ja, das war tatsächlich Thema. Aber es gab und gibt einfach kein Geld und zu wenig Personal. So wird auch in absehbarer Zeit nichts daraus. Ich hatte mal den Traum, dass man einen größeren Wohnwagen oder Wohnmobil mit einem Anhänger dort hinstellt. Ein Mobil, das sich bewegt, mit dem man herumfahren und zu den Leuten kommen kann. Wir sollten doch alle beweglich sein!
Wir errichten manchmal großartige Gebäude, und denken, die Leute kommen dann schon dort hin. Aber die Leute wollen das vielleicht nicht, sondern möchte es lieber anders und woanders. Mit so einem Wohnmobil könnte die Kirche Heimat, Offenheit, Lebendigkeit und Bewegung verdeutlichen. Aber, das konnte ich leider nicht umsetzen. Ich weiß auch nicht, ob es auch wirklich funktioniert hätte. Das kann vielleicht jetzt ein anderer besser machen. Das Grundstück ist schon recht klein und schmal. Nicht einfach also. Nochmal zusammengefasst: zu wenig Personal, zu viel Kosten, zu wenig Ideen. So passiert leider nichts.
An dieser Stelle auch mal ein Wort zu unserer Take Off!?
Ich habe sie natürlich immer verfolgt, jede neue Nummer. Manche Artikel habe ich aufmerksamer gelesen, aber alles fand ich immer sehr schön. Durch die Take Off! habe ich Menschen erst kennengelernt oder über Menschen, die ich schon kannte, noch mehr erfahren, was sie so machen oder was sie denken. Und ich finde es super, dass es darin viele Bilder gibt. Bilder machen Menschen und Dinge so anschaulich erlebbar.
Was erhofft du dir nun von deiner Zukunft?
Ein Aufbruch und Erneuerung. Dafür lasse ich mich trainieren. Ich weiß ja zum Beispiel noch gar nicht, wie und wo ich wohnen werde. Das wird wieder eine neue und schöne Erfahrung. Das gelebte Evangelium. Und es verlangt ein starkes Vertrauen hin zu Gott, ihn einfach mal wirken zu lassen. Er ist Gott, er hat alle Macht und er kann sich um alles kümmern. An ihn kann ich auch abgeben. Nicht, was ich mir in den Kopf setze und veranstalte, ist das Entscheidende, sondern immer er ist es. Und er macht vieles auch im Verborgenen und dann auch wieder plötzlich alles anders. Und ich habe mir vorher dazu den Mund fusselig geredet … (lacht). So möchte ich mich wieder neu öffnen und wieder auf die Suche zu den Menschen machen. Ich möchte wieder wie ein Ordensmann sein. Nicht einer, der meint, Gott gefunden zu haben, sondern einer, der jeden Tag Gott wieder neu sucht.

Noch deine „Famous Last Words“ zum Abschied?
Oh … Ich finde es, wie schon gesagt, wichtig, dass man sich immer wieder neu öffnet. Man sollte nicht denken, man weiß alles und kann alles. Gleichzeitig aber sollte man auf unsere Wurzeln und Weisheiten, die sich über Jahrhunderte und Ewigkeiten so bewährt haben, genau schauen und darauf achten. Also: Fest verwurzelt sein in unsere echten Traditionen und doch offen für das Wirken des Heiligen Geistes, heute und hier.
Und speziell für die Messestadt?
Bitte lebt und pflegt wie bisher das schöne und vielfältige Zusammenleben und lernt weiter voneinander. Also, keine Angst voreinander haben, sondern miteinander Lösungen suchen und auf das so wertvolle, lebendige und vielfältige Miteinander bauen. Wie es auch mein Weg ist und sein wird: immer offen und neugierig sein.
Interview: Reinhard Miesbach
Hinweis zur Nachfolge: Ab dem 1.12.2025 übernimmt Dekan Björn Wagner die Pfarradministration des Pfarrverbandes Vier Heilige Trudering Riem. Die Suche nach einem Nachfolger für Pfarrer Czempik läuft. Sobald es dazu Neuigkeiten gibt, werden wir es hier bekanntgeben.
Die feierlichen Gottesdienste finden statt:
am 26. Oktober um 11.00 Uhr in St. Florian, Messestadt Riem, und
am 16. November um 9.45 Uhr in St. Peter und Paul, Trudering.
Jeweils mit anschließendem Umtrunk im Pfarrsaal.
Herzliche Einladung!
Weitere Infos