Pfarrer auf dem Platz der Menschenrechte

Gemeinsam unterschiedlich sein

Wer kann sagen, was der Geist der Messestadt ist, wenn nicht die Kirchen? Ein Gespräch an dem Ort, an dem für Katholiken und Protestanten im Viertel alles zusammenkommt: dem Platz der Menschenrechte
Pfarrer Czempik: Der Geist Gottes zeigt sich bei der Unterstützung der Menschen.

Die zentrale Erkenntnis gleich vorweg: Die Vielfalt macht den Geist der Messestadt aus. Das ist für die evangelische Pfarrerin Ulrike Feher und den katholischen Pfarrer Arcadius Czempik klar: Menschen aus 110 verschiedenen Nationen sind für das Viertel prägend. Feher erlebt die Messestadt fast wie ein Dorf, „man kennt sich“, meint sie freudig. Auch wenn nicht alle Menschen ins Pfarrbüro kommen. Auf dem Wochenmarkt, auf der Straße, im Park werde sie angesprochen. Seelsorge geschieht für sie im Alltag, „wir leben mit den Menschen“.

Pfarrer Czempik nickt und ergänzt: An Pfingsten seien die Türen aufgemacht worden, man sei zu den Menschen gegangen. Das sei auch das Konzept der Zukunft: „Wir Kirchen können uns nicht mehr darauf verlassen, dass die Menschen zu uns kommen“. Die Mitarbeiter und Ehrenamtlichen der Kirchen engagieren sich für die Gesellschaft der Messestadt, sei es durch die Kindergärten oder die Beratungsstellen.

Auftanken in der Kirche

Für Feher spiegelt der Platz der Menschenrechte und der Platz der Weltreligionen im Riemer Park die Spannung des Lebens. Czempik ergänzt:
Es gibt das säkulare, d. h. rein weltliche Leben mit Menschen, die keine religiöse Bindung haben und die religiösen Menschen. Die Kirchenräume sind für beide etwas Besonderes und laden die Menschen zum Verweilen, Nachdenken, zur Ruhe kommen und auch zum Gebet ein. Stirbt z. B. ein junger Mensch, kommen auch Menschen in die Kirche, zünden eine Kerze an, die sonst eher selten in einer der Kirchen zu sehen sind, beobachtet Czempik. Frau Feher sieht Menschen in die Kirche gehen und erfährt von Besuchern „das ist für mich ein guter Ort zum Auftanken“. Beide verstehen sich und die christlichen Kirchen als Brückenbauer, zwischen den unterschiedlichen Menschen aus verschiedenen Kontinenten und natürlich auch bei Schwierigkeiten oder Konflikten.

Genießen statt Werkeln

Pfarrerin Feher: Jeden Tag an etwas Schönes denken, hat auch mit dem Hl. Geist zu tun.

Christen glauben an den Heiligen Geist, als ein Teil der Trinität von Gott Vater, Sohn und Heilige Geist. Beide erleben als „Geist“ in der Messestadt den Heiligen Geist, wenn Menschen nach einem Gottesdienst wieder neue Kraft schöpfen können oder im Riemer Park die Natur erleben. Feher erzählt von einer Frau, die ihr sagte, dass sie jeden Tag an etwas Schönes denke, „auch das hat etwas mit dem Heiligen Geist zu tun“. Der Heilige Geist könne auch Hoffnung und Zuversicht zeigen, meint sie. Als geistliche Personen ermutigen sie die Menschen, das Leben zu genießen, das Schöne im Leben zu entdecken, „wir müssen nicht immer werkeln“. Beim Engagement für den Umweltschutz, der zum Umweltzertifikat des „Grünen Gockels“ führte, aber auch bei der Essensausgabe beim Tisch Messestadt zeige sich die Praxis des Heiligen Geistes und das Wirken Gottes in der Messestadt, für Czempik auch ein „Gottesdienst“. Für ihn zeigt sich der Geist Gottes ganz konkret in der Begleitung und Unterstützung der Menschen.

Hilfe auch für Nicht-Christen

Pfarrer Czempik und Pfarrerin Feher sind für alle Menschen in der Messestadt da, wenn die einzelnen Menschen das wollen. Der Geist wirke in vielen Menschen für andere Menschen, ob mit oder ohne christlichem Glauben. Davon sind beide überzeugt. Sie wollen niemanden vereinnahmen, aber für alle da sein, die zu ihnen kommen in guter gemeinsamer Verbundenheit.

Gerhard Endres