v. l.: Michael Lapper – Künstler, Barbara Draeger – Künstlerin, Hans Häuser – Moderator und Chefredakteur Take Off!, Haimo Liebich – Ex-Leiter des Kindermuseums München, Heinrich Tardt – Leiter der Kulturetage
03.05.2024
Das inzwischen gut etablierte Gemeinschaftsprojekt „Talk im Kopfbau“ von Take Off! und unsere-messestadt.de hat dieses Mal kritisch auf Kultur aller Art geschaut – auf die Megakonzerte von Adele, aber auch auf das, was im eigenen Viertel geboten oder vermisst wird. Es entstand eine spannende Diskussion mit überraschenden Forderungen.
(Den kompletten Talk im Kopfbau können Sie sich hier anschauen.)
Im Schnitt lässt ein auswärtiger Großkonzertbesucher 450 Euro in der Stadt. Macht für München etwa eineinhalb Milliarden Umsatz allein durch Adele. Das rechnete Take Off!- Chefredakteur Hans Häuser vor und machte so die Präsenz eines Vertreters der Stadt auf dem Podium überflüssig.
„Aber was haben wir davon: Umsatz? Aufmerksamkeit? Ein besseres Image?“ Das Publikum war sich einig: Die Konzertkarten sind für die meisten hier zu teuer. Bleiben Verkehrs- und Lärmbelastung? Tragisch nehmen die Messestädter im Publikum das aber nicht: Wer regelmäßig die Bauma überstehe, den schockiere nichts, so der Tenor.
Die Bestandsaufnahme des im Viertel Gebotenen rückte in den Fokus. Heinrich Tardt, Leiter der Kulturetage, hat im Schnitt 60 Gäste bei Konzerten oder Theater, ist aber nach eigener Aussage auch nicht traurig, wenn es nur zehn sind: Anders als das Kulturzentrum in Trudering, das sein Haus selbst unterhalten und damit mehr aufs Geld schauen müsse, könne man in der Etage gut experimentieren. Hinzu kämen Basics wie Deutschkurse, Sprache sei unabdingbar für den Kulturkonsum.
Die Truderinger Performance-Künstlerin Barbara Draeger, kürzlich für einige Zeit im Kopfbau präsent, relativierte das. Sie arbeite körperbetont und mit Improvisation, das könne jeder verstehen. Wichtig finde sie, niederschwellig, offen, nicht zu teuer zu sein, damit jeder mittun könne, gerne auch spontan. Das funktioniere gut in der Messestadt, wo man etwas weniger „gesetzt“ sei als jenseits des Buga-Parks. „Echt cool.“.
Ein Lob der Messestadt sang auch Heimo Liebich, einst SPD-Stadtrat und Leiter des Kinder- und Jugendmuseums, welches demnächst vom Hauptbahnhof an die Willy-Brandt-Allee umziehen wird. Liebich zählte auf, was die Messestadt hatte, wie die ambitionierten „Kunstprojekte Riem“ und was sie jetzt hat, von Kulturetage bis Stadtbücherei, teils von den Bürgern erkämpft. „Aus meiner Perspektive eine gute Mischung.“
Hohe Kultur finde auch außerhalb des Mittleren Rings statt. Fürs neue Kindermuseum suche man derzeit mit der Bildungsstiftung der Stadtwerke nach einer Lösung, die den Eintritt auch für ärmere Familien erschwinglich mache. Ein Versprechen, das ihm Szenenapplaus einbrachte.
Michael Lapper, Bewohner und Künstler, hat in der Messerstadt und für die Messestadt schon so manches geschaffen, auch die Initiative „KopfbauT“ mit ins Leben gerufen. Er hätte sich die Messestadt auch gut als Konzertsaal-Standort vorstellen können. Mangels Raum habe er schon eine Ausstellung im eigenen Treppenhaus organisiert, und weil neue Räume wichtig seien, wünsche er sich auch Kunst in den leeren oberen Etagen des Parkhauses, spannte Lapper den Bogen weit. Kultur brauche „Kommunikation und Sichtbarkeit,“ das beginne schon mal bei der Litfasssäule.
Kritisch schaute Karl-Michael Band von Quax und Echo e. V., dem Verein, der den Kopfbau quasi managt, auf das, was hier geschehe: Etwas bürokratisch sei das Konstrukt der derzeitigen Experimentierphase, zu wenig Ideen überstünden die von der Stadt installierte Jury. Feste Räume und „Rituale“, das wünschten sich Barbara Draeger ebenso wie Karl-Michael Brand. Die Leute sollen etwa wissen: Hier ist immer freitags Kino und immer mittwochs das Impro-Theater. Am besten wäre das noch mit einem einladenden, niederschwelligen Gastro-Angebot, auch Kulinarisches sei Kultur.
Diese Forderung überraschte manchen, zumal das Foyer der Etage jedem offen stehe und Bücherei und jüngst VHS das Raumangebot im Viertel mehrten. Am Ende sahen viele aber gerade im Verlässlich-Ritualisierten eine mögliche Perspektive für den Kopfbau, auch wenn, so riet es Ex-Bürgerforums-Vorstand Gregor Kern, diese Rituale durchaus auch „temporär“ bestehen könnten.
Langfristig, so Liebich, werde man stadtweit aus Geldgründen zusammenrücken müssen und auch Schulen kreativ, „abenteuerbereit“ und nachhaltig als Kulturorte nutzen müssen. Lapper setzte auf den Zuwachs im urbanen fünften Bauabschnitt: Mit so vielen neuen Nachbarn werde sich feste Gastronomie im Kopfbau endlich rechnen. Das Schlusswort sprach Hans Häuser: „Alle müssen mitmachen. Wenn wir nicht mitmachen, wie soll es dann besser werden?“
Renate Winkler-Schlang
Den kompletten Video vom Talk im Kopfbau können Sie sich hier anschauen:
„Eigentlich super. Alle, die das schrecklich finden, kommen zu uns ins Performance Theatre.“
„Kultur ist mehr als ein Wirtschaftsfaktor.“
„Uns ist es wichtig, Nischen offen zu halten.“
„Kultur ist, wie man lebt.“
„Von Bon Jovi im Olympiazentrum haben die Schwabinger auch nichts. Das sind Münchner Großereignisse.“
„Wir versuchen, das Viertel mit unseren Angeboten zu begleiten.“
„Es überlastet die Bürgerschaft.“