Kopfbau des alten Riemer Flughafens Messestadt München

Von der Nazi-Immobilie zur Event-Location

Es gibt auch gute Nachrichten. Von der schimmligen Problemimmobilie mit Nazivergangenheit könnte sich der Kopfbau der früheren Besuchertribüne des alten Riemer Flughafens nun tatsächlich in einen wunderbaren Ort der Begegnungen, Erlebnisse und Erkenntnisse verwandeln.

Der Stadtrat hat am 17. Juni immerhin die Möglichkeit dazu eröffnet: Ein soziales und kulturelles Experimentierfeld soll dieser eckige Bau für die nächsten drei Jahre werden. Und alle Beteiligten zeigen nun Zuversicht, dass das gelingt und die Grundlage dafür schafft, 2024 neu über die Zukunft und die Betriebsform des Kopfbaus zu entscheiden. Das Verdienst, das Gemäuer aus seinem Dornröschenschlaf gerissen zu haben, gebührt freilich dem ortsansässigen Künstler Michael Lapper und der Initiative KopfbauT, die inzwischen ein Verein geworden ist. Zwei Sommer lang haben diese Aktiven mit Eifer und Spaß gezeigt, was hier möglich ist. Zum Träger dieser neuen Adresse hat die Stadt sie nicht gemacht – sehr zufrieden scheinen sie dennoch mit den neuen Aussichten. Noch gibt es Bauverzögerungen und auch nicht alle Details sind geklärt, aber ein Anfang ist gemacht.

Kopfbau, nicht gerade ein sexy Wort, aber eines, für das es zum Ärger einiger Presseleute kein gutes Synonym gab. Michael Lapper aber spielte kreativ mit dieser sperrigen Vokabel. Ein großes T angefügt, schon war der Name Aufforderung und Programm zugleich.
Mit einigen Mitstreitern wollte er den Kopfbau wenigstens temporär nutzen. Als der Schimmel das verhinderte, entwarf Lapper einen kleinen Kulturkiosk als Kristallisationspunkt. Was hier alles entstand, vom Cafe bis zur Lesung, von der Ausstellung bis zum Workshop mit Studenten, lässt sich in Lappers umfangreichen Dokumentationen im Internet nachlesen. (Mehr Infos: www.kopfbaut.de) Viele Messestädter haben es selbst erlebt oder sogar mitgewirkt. Die Lust auf mehr war geweckt, die Initiative legte der Stadt ein Konzept vor. Keine weitere Kulturetage sollte das hier werden, eher ein Ort der Bildung, Begegnung, Diskussion über Städtebau und Zukunftsfragen, gerne überörtlich, zudem verbunden mit einer Würdigung der Historie. Die Initiative spielte sogar mit dem Gedanken einer Trägerschaft. Offizielle Resonanz aus der Stadt: Keine.

Startkapital: 1,3 Millionen Euro

Offenbar gleichzeitig animiert und angetrieben von den KopfbauT-Aktivitäten hat die Stadt nun endlich beschlossen, den Kopfbau selbst wintertauglich auszubauen. 1,07 Millionen Euro hat man errechnet als Bedarf für eine „Mindestsanierung“. Die MRG (früher München Riem Gesellschaft, neuerdings Münchner Raumentwicklungsgesellschaft)ist mit dem Umbau beauftragt. Das Sozialreferat steuert die Möblierung bei, das Kulturreferat die Veranstaltungstechnik. In Summe gibt es für die Ausstattung maximal 270000 Euro obendrauf. Leichter gemacht wird den Referaten ihr Mittun sicher durch die Tatsache, dass das städtische Kommunalreferat den beiden die Immobilie bis 2024 mietfrei überlässt.

Echo, der erfahrene Träger des benachbarten Kinder- und Jugendzentrums Quax, wurde vom Sozialreferat als ein laut Quax-Chef Karl-Michael Brand „besserer Hausmeister“ eingesetzt: Er soll organisieren, koordinieren und das neue Angebot auf all seinen Kanälen bekannt machen. Ein Programm zu machen, gehört nicht zu den Aufgaben.
Was es da zu koordinieren geben soll, genau das muss das „Experiment“, auch für seine Nutzer mietfrei, nun erweisen. Bewerben kann sich jeder, der eine Idee oder ein Konzept vorlegt und selbst die Mittel für die Realisierung mitbringt, sei es aus städtischen Töpfen, aus Stiftungen, Selbstausbeutung oder woher auch immer. Das kann eine kurze Nutzung sein, aber auch ein paar Monate dauern. Kommerzielle Vermietungen wie Hochzeiten oder Events sind jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. Bis zu 200 Leute fasst der Bau selbst.

 

Einzige Hürde: Die Jury

Eine fünfköpfige Jury, je zwei Personen aus dem Sozial-und dem Kulturreferat und eine aus dem Bezirksausschuss, hat das letzte Wort darüber, wer wann zum Zug kommt.
Die Ziele klingen gut, sind aber derzeit naturgemäß sehr allgemein gehalten: „Es wirken alle bestmöglich zusammen“, ein „multifunktionales Gebäude für Alle mit niederschwelligem Zugang“, „Aktionsflächen im Freien“, „interdiszipinär“, „generationenübergreifend“. Und vielleicht könne der Kopfbau der Ort für die 25-Jahr-Feier der Messestadt werden. Eine öffentliche Infoveranstaltung im Mai soll die Chancen des Experiments in die Messestadt oder besser noch die ganze Stadt tragen, entweder im Kopfbau oder in der Kulturetage findet die statt.

 

Bald eine Ort für Begegnungen, Erlebnisse und Erkenntnisse?

Dass die Kulturetage hier mit genannt wird, kann daran liegen, dass der Kopfbau nicht gerade optimal ans Öffentliche Verkehrsnetz angebunden ist. Laut Stadtratsbeschluss soll es bald ein Konzept geben, wie er immerhin mit dem Schulcampus und dem 5. Bauabschnitt am Rand Kirchtruderings wegetechnisch verbunden wird. Dass die Kulturetage genannt wird, zeigt hoffentlich nicht, dass die Stadt mit so langen Bauverzögerungen rechnet. Eigentlich nämlich hätte das Experiment bereits im Herbst beginnen sollen, doch das erwies sich als zu optimistisch. Auch die endgültige Ganzjahresgenehmigung sei, so das Kommunalreferat, bei der Lokalbaukommission „noch in Bearbeitung“.Unklar war zuletzt auch die Frage, ob man Trennwände installieren kann.

Damit verkürzt sich aber leider bereits die Experimentierphase, denn eine Verlängerung über 2024 hinaus schließt die Stadt auf Nachfrage aus.

Kein Lagerraum: Keine deftige Küche

Das ist nur eine von mehreren Tatsachen, die Karl-Michael Brand ein wenig problematisch erscheinen. Eine weitere ist, dass lediglich Teeküche und Tresen vorgesehen sind, mancher sich hier aber durchaus auch deftigere Verpflegung wünschen wird. Spätestens wenn ein Caterer ins Spiel kommt, mache sich, so der praktisch denkende Brand, das Fehlen von Lagerflächen bemerkbar. Ob man einen Lagercontainer außen an ein Denkmal andocken dürfe oder wolle, oder vielleicht einen fürs Catering, hat ihm noch keiner beantwortet.
Brand plädiert auch dafür, dass Getränkekarte und -preise vereinheitlicht werden, das sei im Sinne der Besucher ebenso wie in seinem als Verwalter.

Die Chance, Vorräte in der angrenzenden Tribüne unterzubringen, gibt es kurzfristig nicht: Was mit diesem maroden Bau, wo sich der Denkmalschutz mit dem Biotopschutz beißt und eine Sanierung kaum finanzierbar erscheint, passieren soll, das hat der Stadtrat im Juni erneut verzagt vertagt.

Nicht klar ist Brand derzeit auch, ob seine Kompetenzen als Organisator an den Innenmauern enden, oder ob die denkmalgeschützten Außenmauern und die Freiflächen dazugehören. Aus der Stadt kommen da widersprüchliche Aussagen: Einerseits ist seit Lapper die temporäre Außennutzung im Sommer bis 2024 geklärt, das Sozialreferat sieht im Kopfbau-Experiment zudem mögliche Schnittmengen mit seinem ambitionierten Programm „KunstSpielOrte“ – andererseits schreibt das Kommunalreferat auf Anfrage, Aktivitäten auf der Freifläche müssten beim Kreisverwaltungsreferat genehmigt werden. Da wird also noch einiges im Detail zu justieren sein. Wie gesagt: Ein Experiment.

Lappers KopfbauT: Jetzt Förderverein

Die Idee mit der Experimentierphase aber gefällt Antje Bieber, der neuen Vorsitzenden des frisch gegründeten Vereins KopfbauT. Es sei schon schade, dass die Stadt im Vorfeld mit ihnen nicht Kontakt aufgenommen habe, sagt Michael Lapper, doch dass letzlich Ideen von KopfbauT in den Beschluss vom Juni mit eingeflossen seien, hat die Aktiven gefreut. Ja, man habe mit einer Trägerschaft geliebäugelt, sagt Bieber, aber man sei halt manchmal auch ein bissl blauäugig. So sei das jetzt sicher eine runde Sache. Die Aktiven hätten ja schließlich fast alle noch einen Beruf. Lapper, der in den vergangenen Sommern sehr viel Zeit investiert hat, widmet sich nun verstärkt seiner neuen Tätigkeit als Kunsterzieher, gehört daher auch nicht dem Vorstand des neuen Vereins KopfbauT an. Dessen Vorsitzende ist die Architektin Antje Bieber.

Die Initiative versteht sich als eine Art Förderverein. Sie hat derzeit zehn Mitglieder. Momentan wolle man „den Ball flach halten“, so Lapper. Doch Bieber zeigt sich sicher, dass der Verein sich für den Sommer mit einem eigenen Konzept beim von der Stadt vorgesehenen „Interessenbekundungsverfahren“ bewerben will. Sie sei schon gespannt auf die Vorgaben dafür.
Ein paar Wochen, „das können wir auch super leisten“, sagt Bieber, während man sich für eine Trägerschaft hätte professionell mit Geschäftsführer aufstellen müssen. Der Kopfbau sei in der Satzung des Vereins schon als Ausgangspunkt definiert, fügt Bieber an. Die Vereinsvorsitzende ist voll des Lobes für das Experiment: „Echt toll, dass die Stadt sich sowas traut.“ Neben all dem Partizipativen, das sie sich vorstellen kann, hat sie selbst auch den Traum vom Cafe, drinnen und draußen, gerne auch schon zum Frühstück geöffnet. Sie habe oft bemerkt, dass auch aus anderen Vierteln und angrenzenden Gemeinden Leute Radtouren durch den Park machen und großes Interesse am Kopfbau und auch an dessen Geschichte zeigen. Kulturreferatssprecherin Jennifer Becker erklärt, man wolle KopfbauT selbstverständlich auch im Boot haben, ihre Behörde habe schon Kontakt aufgenommen für eine Beteiligung des Vereins an der Auftaktveranstaltung.

Interessant für alle, die öffentliche Kunst in der Messestadt schon lange verfolgen, ist, aus welchen Töpfen das Kultureferat sein Schärflein zum Experiment beiträgt: Darunter ist nämlich auch der für die Kunst im öffentlichen Raum. In den Anfangszeiten der Messestadt hatte man, auch ein Experiment, die Mittel für Kunst am Bau aller städtischen Bauten zusammengefasst zum sogenannten Kunstpool. Aus diesem plante die Kuratorin Claudia Büttner einige temporäre Aktionen und Ausstellungen, sichtbar geblieben ist außer „Herz, Hand und Mund“ nicht viel. Der Bezirksausschuss pochte auf „Bleibende Kunst“. Nachdem Büttners Vertrag nicht verlängert worden war, schrieb das Kulturreferat für den Rest vom Geld zweimal einen Wettbewerb aus. Der erste Sieger, Panamarenko, teilte der Stadt dann nach Monaten mit, sein Entwurf lasse sich leider statisch doch nicht in die Realität umsetzen. Im zweiten Anlauf wurde wieder ein Sieger gefunden, doch wurde das erst gar nicht mehr groß publiziert, denn dieser hätte den Kopfbau samt einen Teil der Tribüne mit einbezogen in eine interessante fragile Holzkonstruktion. Da keiner weiß, was aus der Tribüne wird, ist auch dies gestorben. So ist das Kopfbau-Experiment wohl fürs Kulturreferat auch eine elegante Lösung für die Kunstprojekte Riem.

Auf die Frage, ob denn die Experimentierphase am Ende womöglich etwas Bleibendes für die Messestadt bringen könne, antwortet das Kulturreferat abgeklärt weise: „In einem Experiment kann vieles geschehen, aber nichts muss. Das ist das Wesen eines Experiments.“

Renate Winkler-Schlang

Die Initiative ist zu finden auf www.kopfbaut.de, man kann Mitglied werden via post@kopfbaut.de.

 

Vom Kassenhäuschen zum Flugschaudenkmal

Ein echter Besuchermagnet war die Tribüne in alten Zeiten: Bis zu 100000 Menschen konnten von dort aus auf den von Ernst Sagebiel geplanten und 1939 eröffneten Riemer Flughafen schauen und sich berauschen an der Inszenierung des Fliegens, des Fortschritts. Tickets dafür gab es an den Schaltern im sogenannten Kopfbau. Der örtliche CSU-Stadtrat Sebastian Schall weiß auch von anderen Großveranstaltungen wie Motorradrennen. Spätestens 1992 mit dem Umzug des Flughafens war das Haus nutzlos. 2005 entdeckten es die Planer der Buga. Der Kopfbau eignete sich hervorragend als Lounge. Weil die Blumenschau ein Sommerevent war, verzichtete man auf die Heizung. Ein Versäumnis, das CSU-Stadtrat Sebastian Schall seinen Stadtrats-Vorgängern massiv ankreidet, schließlich war der Kopfbau damals längst ein Denkmal, das es zu bewahren galt. Die Stadt aber wollte kein Geld ausgeben, sondern welches einnehmen: Der Kopfbau wurde Eventlocation. Der Plan, dass langfristig eine Brauerei oder ein anderer Investor ihn ganzjährig brauchbar macht, ging für die Stadt jedoch nicht auf. Seit 2014 stand der Kopfbau leer – leider ungelüftet und ein wenig leck, sodass letztlich auch noch ein Schimmelproblem entstand. Sattsam bekannt ist, dass der Bezirksausschuss Jahr für Jahr neue sinnvolle Nutzungen vorgeschlagen hatte. Doch weder Sozial- noch Kulturreferat meldeten Bedarf an, hatten sie doch in der Messestadt einige weit pflegeleichtere Objekte.

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